Fallen oder Fliegen?

Es bleibt nichts mehr zu tun. Ich lasse mich fallen.
Ich gebe nach, ich höre zu kämpfen auf, jeder Widerstand bricht in mir zusammen. Ausruhen wäre schön, ich bin so müde. Keine Umstände, die ich verbiegen oder verändern will, auch mich nicht. Ob es gut oder schlecht ist - es darf sein wie es ist. 

Ich lasse los. Auch weil mir nichts anderes übrigbleibt. Ich falle. Ich falle weiter, eine schmerzhafte Landung erwartend.

Doch der Aufprall kommt nicht und Fallen an sich ist nicht schmerzhaft. Verwundert lasse ich es geschehen. Kein Zurückrudern, keine Panik - nur fallen. 

Langsam nehme ich eine Veränderung wahr. Ich bin in Bewegung, doch daran ist nichts mehr bedrohlich oder beängstigend. Es ist auch kein Netz, das mich auffängt. 
Nein - es sind einzelne Fäden, zart wie Spinnweben, kaum sichtbar, die über meine Wange streichen und mich aufhalten - mich bremsen. Ich bin verwirrt, dass habe ich nicht erwartet. Es muß doch jetzt das Ende kommen, der harte Aufschlag. Aber alle meine Erwartungen werden enttäuscht.

Ich bekomme geschenkt, was für mich wichtig ist - muß weniger kaufen. Für jeden Bereich wird gesorgt, ich bin eingeladen und willkommen. Selbst ein wenig Taschengeld läßt sich auf der Strasse finden. Ich bin verblüfft und fühle mich hin- und hergerissen - in mir wächst Vertrauen. Vielleicht war ich bisher zu schnell unterwegs, blind und uneinholbar oder wieso sonst habe ich diese Geschenke übersehen?  

So muß es sich anfühlen, mit Lianen im Dschungel unterwegs zu sein. Außer das meine Lianen eher zarte Spinnweben sind, die zur rechten Zeit bei mir sind, ohne das ich danach suchen muß. Ich habe nichts zu tun, außer anzunehmen, was mir angeboten wird. Mein vermeintlicher Fall verwandelt sich in einen Flug. 

Ich lege Eitelkeit ab und Furcht, werde ruhiger. Dafür wird mir Zuneigung offengelegt, Freundschaften angeboten. Wunderbare kleine Begegnungen schaffen neue Wege - es öffnen sich neue Räume. Es entstehen neue Landschaften, In mir fühle ich starke Wurzeln. 

Das Vertrauen festigt sich und schult meine Wahrnehmung, sie wird feiner. Ich kann die zarten Silberfäden jetzt sehen. Die anfängliche Geschwindigkeit nimmt immer mehr ab, es ist längst kein Fallen mehr. 

Der Flug wird sanfter und sachte verwandelt er sich in zauberhaftes Schweben.